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Balkankrieg vs. Textkrieg

Wir hatten also eine Ferienwohnung in Kroatien über das Internet reserviert. Bei 30 Euro pro Nacht hält man auch schön die Fresse, wenn nachts Kakerlaken benutzte Binden aus dem Badmülleimer stehlen oder es im Kühlschrank nach Kot riecht. Was aber wenn die Wohnung noch mehr Überraschungen auf Lager hat?

 

 

Zugegeben, die Kroaten haben keinen Stil und Cevapcici sind auch nur hässlichere Frikadellen, aber einrichten kann man hier definitiv. Wieso nicht einfach Kindergesichter aus Zeitschriften ausschneiden und auf jede Kachel des Badezimmers kleben. Neben die Toilette ein paar original Rätselzeitschriften aus den 60er Jahren platzieren und einen verdächtig nach etwas Essbarem aussehenden Badteppich vor die Dusche legen, in der ein Stromkasten angebracht ist.

 

 

Im Rahmen meiner Herumschnüffeleien in diesem "Ferienapartment" fanden sich circa 3000 Groschenromane. Beim intensiven Studium von "Sabine - Sonderband - Die Hochzeitsglocken werden läuten" erfuhr ich endlich mehr über mich und meine Gefühle. 

 

Das Ferienapartment war weder schön noch zweckdienlich eingerichtet und selbst wenn ich zu diesem Zeitpunkt über 80 Jahre alt gewesen wäre, hätte ich mich gefragt wieso dort Indianerbitches und Kornblumen an der Wand hängen und kein moderenes Portrait von "dieser Hindenburg, von der immer alle erzählen" oder vom aktuellen Kaiser. 

In der Wohnung fanden sich dann noch mehr seltsame Dinge. Eine Brille mit mindestens 8 Dioptrin, Insektizide aus einer Zeit, als Kroatien noch Jugoslawien hieß und braune Leichenflecken auf der Matratze.

 

 

Gekocht haben wir im SUPERAUTOMAT, der auch unsere Einkäufe erledigte, putzte und uns sexuell befriedrigte.

 

 

Richtig unangenehm wurde es dann im Suff am zweiten Abend. Die offizielle Version lautet, ich war auf der Suche nach Klopapier und habe den Badschrank geöffnet. Ich öffnete den Badschrank und entdeckte schmutzige Verbände, benutzte Wattestäbchen, Glycerin, eine Intimlotion von 1978 und ein Gebiss mit echten Goldzähnen.

 

 

 

In panischer Angst, dass in den Schränken oder auf dem Dachboden noch die Leiche einer alten Dame liegen könnte, untersuchten wir die Wohnung genauer und fanden einen Haufen unmöglichen Kitschschrott, aber keine Leiche. 

Um den Gästen der Aufenthalt so schön wie möglich zu gestalten, hat man auch gleich das Foto der verstorbenen alten Frau über dem Esstisch hängen lassen und möglichst wenig geputzt und gewaschen, damit der Originalgeruch erhalten bleibt. Bis zu diesem Urlaub wusste ich nicht, dass selbst Glas nach dem Eigengeruch des Bewohners einer Räumlichkeit riechen kann.

 

 

Innenarchitektonische Highlights: Ein Portrait der Familie Jesus mit Stadttauben über dem Massivholztraum zum Schlafen, ein gewebter Wandteppich mit Hirschmotiv über dem Kinderbett und ein 40 Jahre alter Kühlschrank, der Stromschläge verteilt, wenn man ihn berührt.

 

 

Uns sonst so?

"Adria? Das ist doch dieses Bier in der 2l PET-Flasche nach dem das Meer benannt wurde!"

 

Die Adria ist ein korrektes Meer. In diesem Meer befinden sich korrekte Fische. Sie leuchten und sind schön bunt und haben nichts mit dem ganzen Aalgekröse und Forellenglubsch in unseren Gewässern zu tun. Und dann sind wir wieder heimgefahren.

 

Published 27 Jun 2011