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Blutgrätsche in die Homophobie

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Manuel Braun ist nicht nur ein Tausendsassa wenn es um Kunst, Fotografie und Theater geht, nein, der junge Regisseur sorgt derzeit auch mit seiner selbst ins Leben gerufenen Initiative “Wir sind Familie”, die sich für die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften einsetzt, für frischen Wind in einer zugegebenermaßen ziemlich verkalkten Diskussion. Bisher haben sich bereits namhafte Künstler und Kreativschaffende wie Thees Uhlmann, Judith Holofernes von Wir sind Helden und die Band Frittenbude an der Aktion beteiligt und werben mit klaren Statements für mehr Aufklärung und eine Öffnung der Institution Ehe und Familie gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren. Wer dieser Manuel eigentlich ist, wie es sich als Homosexueller so in Bayern lebt und warum seine Initiative mit Sicherheit erfolgreich sein wird, erfahrt Ihr im Interview:

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Hallo Manuel, du bist der Initiator der Aktion “Wir sind Familie”, die gerade auf Facebook und Twitter das Geschehen rund um homophob-konservative Politiker und die politische Diskussion zur Öffnung der Ehe und Familie für gleichgeschlechtliche Paare aufmischt. Warum kotzt dich eigentlich die Debatte eigentlich so an?

Ich hatte das Glück in einer Zeit und einem sozialen Umfeld groß zu werden, das mir nie das Gefühl gab, anders oder sogar benachteiligt zu sein. Natürlich kannte ich die Rechtslage, doch hatte ich stets das Gefühl inne, mir stehen die gleichen Möglichkeiten zur Option wie sie auch meinem besten heterosexuellen Freund zustehen. Erst seit kurzem, seitdem die Bundesregierung und die Öffentlichkeit darüber diskutiert, ob ich einmal heiraten und Kinder großziehen darf oder nicht, stößt mir die Sache auf. Dabei habe ich gemerkt, wie mich unsere Regierung zu einer Person zweiter Klasse macht. Sie sagt "Hey, Manu, wir respektieren dich, alles supercool wie du bist, aber glaub ja nicht, du hättest die gleichen Rechte wie wir, wo kämen wir dahin, wenn wir einem wie dir erlauben…" Und genau damit stellen sie mich und alle anderen eine Stufe tiefer. Und das ist ungleich. Das ist gegen die Verfassung und das muss behoben werden.

Erkläre uns doch in ein paar Worten den aktuellen Stand der Dinge! In welchen Bereichen werden homosexuelle Pärchen auch heute noch benachteiligt?

Aktuell liegen die großen Benachteiligungen in der Adoption und im Steuerrecht. Wir fordern aber keine schrittweise Sonderlösung mit Sondergesetzen. Denn wir sind kein Sonderfall, der Sonderbehandlung braucht, wir sind nicht krank. Wir wollen die komplette Gleichstellung der Ehe. Um es einfach zu sagen, kein Unterschied zwischen einer heterosexuellen und homosexuellen Ehe.

Du wohnst in einem kleineren Ort in Bayern. Wie lebt es sich denn ausgerechnet in diesem Bundesland als homosexueller Mann? Lebst du mit deinem Freund zusammen?

Wir leben in München und haben aber auch ein kleines Haus in meinem Heimatort geerbt. Und dort lebt es sich ganz wunderbar. Ich habe dort die meiste Zeit meines Lebens verbracht. Ein Ort ohne Ampel aber mit einem Großteil meiner besten Freunde und Angehörigen in Laufweite. Wie ich eingangs bereits sagte, ich hatte großes Glück mit meinem sozialen Umfeld. Meine Freunde und Familie bildeten immer eine kleine rebellische Insel in einem Ort, dessen Stimmen mit knappen 90% an die CSU gehen. Mein großes Glück war es aber, als Jugendlicher zusammen mit Freunden eine illegale Kneipe im Ort eröffnet zu haben, mit allem drum und dran. Ich saß dadurch auf dem Alkoholmonopol, da alle anderen Lokalitäten kilometerweit entfernt waren und der letzte Nachtbus um zwei Uhr zurück ins Dorf fuhr, ich hingegen machte erst um sieben Uhr Sperrstunde. Wer trinken wollte, und das wollen sie alle, der musste zu mir. Der musste also auch ein bisschen nett sein. Zumindest kam er nicht drum herum, mich wahr zu nehmen, mit mir zu sprechen, mich kennen zu lernen, um dann fast immer festzustellen, dass ich nicht wirklich anders bin. Die meisten Vorurteile entstehen in der Blase, die sich in der Distanz zwischen Menschen bildet, sobald sie einen Berührungspunkt haben, platzt diese meist ganz schnell. Und für die ganz harten Fälle gab es meine beste Freundin, der alle den Hof machten, die hat denen dann ordentlich in die Eier getreten. Also im wörtlichen Sinne. Das trifft so ein bayerisches Männerego dann doch hart. Das war eine schöne Zeit. Man braucht aber auch eine gute Portion Humor, man muss auch mal über sich selbst lachen können. So ein Mensch ist doch meist was selten komisches. Jedenfalls habe mir schnell sehr viel Respekt und Sichtbarkeit verschafft und fühle mich hier sehr wohl. Und dass ich jetzt heute von Zeit zu Zeit auch noch wegen meiner beruflichen Laufbahn positiv in der Zeitung erwähnt werde, irritiert dann auch die letzten alten Stammtischherren. Alles wird hier akribisch beäugt und ich liebe es für ein wenig Irritation in ihren Köpfen zu sorgen. Ganz nach dem Motto Herbert Achternbuschs - ein bayerisches Regie-Urgestein, Idol, Sturkopf, Rebell, der meint: “Diese Gegend hat mich kaputt gemacht und ich werde solange bleiben, bis man ihr das auch anmerkt.”

Möchtet ihr Kinder haben?

Ja gerne. Charlie Braun und Calendula Physalis. Scherz, die Namen stehen natürlich noch nicht fest. Aber ja, wir hätten gerne Kinder, und ich lasse es mir von niemanden verbieten meine Luftschlösser zu bauen, und eines Tages werden diese auch konkret werden. Ich persönlich konnte und kann mir ein Leben ohne Familie nicht vorstellen. Ich habe einfach richtig viel Lust auf dieses wunderbare Abenteuer.

Was unterscheidet den Alltag eines gleichgeschlechtlichen von dem eines heterosexuellen Paares und wie würde ein Kind in diesen Alltag passen? Wäre das Familie?

Der Alltag unterscheidet sich nicht von anderen. Das ist der gleiche wunderschöne Wahnsinn wie woanders auch. Mit den gleichen Fehler, den gleichen unvergesslichen Momenten. Wir sind alle nur Menschen. Jedoch gibt es einen Unterschied gegenüber heterosexuellen Paaren. Es gibt keine ungeplante Schwangerschaft. Jedes unserer Kinder ist ein absolutes Wunschkind. Die Rahmenbedingungen werden ja gerade bei einer Adoption genau geprüft.Das Kind wird also in eine Familie geboren, die für sie Sorgen kann. Die Platz hat für dieses Leben, eine Familie, die da sein kann.

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Welche Probleme sehen die Gegner einer Öffnung von Ehe und Familie für homosexuelle Menschen?

Ich bin verdammt froh, diese Kampagne nicht in Amerika machen zu müssen, dort muss man nämlich auch noch gegen die fundamentalen Christen und ihren Bezug auf die Schöpfung und die Bibel ankämpfen. Dieses Problem haben wir hier in Deutschland nicht so sehr. Hier hat man - wer auch immer “man” eigentlich ist, ich glaube gar nicht dass so viele Menschen wirklich ein Problem damit haben - jedenfalls hat irgendjemand dann doch die Angst die Gesellschaft würde aussterben, die Ehe würde ihren besonderen Schutz verlieren und das Wohl des Kindes sei gefährdet. Das sind im wesentlichen die drei Punkte mit denen wir es in Deutschland zu tun haben.

Diese Argumente sind für rational denkende Menschen einfach nur völlig bescheuert.

Hahah, ja. Aber lass es mich dennoch noch einmal klarstellen: Die Gesellschaft stirbt nicht aus, wenn man Menschen ermöglicht Familien zu gründen. Welchen besonderen Schutz eine Ehe genießt, bei der ich morgen eine mir völlig unbekannte, zufällige Frau von der Straße heiraten könnte, aber nicht meinen jahrelangen Freund, ist mir eh nicht ganz klar. Und jeder der Angst hat, Kinder würden ohne beide Geschlechter als Elternteil völlig unbrauchbare Monster werden, der denkt bitte mal an all die alleinerziehenden Menschen, die er damit beleidigt.

Hast du eine Illusion von einer schöneren Gesellschaft? Wie würde diese aussehen und was unternimmt deine Aktion “Wir sind Familie” um das zu erreichen?

Im Internet sind die Fronten ziemlich verhärtet. Homoehe-Befürworter beschimpfen Konservative als Hinterwäldler und Konservative schreien um Hilfe weil sie Angst haben die Homos wollen die Keimzelle der Gesellschaft zerstören. Dann wird sich wild beleidigt und gebracht hat es nicht viel. Und da grätschen wir mitten rein, mit ganz viel Liebe. Konfrontation ist gut, bis zu einem Gewissen grad, ab dann erzeugt Hass nur noch mehr Hass und wir drehen uns im Kreis. Wir wollen sagen “Hey, wir sind da, wir gehen hier nicht mehr weg” Und das mit Geduld, Nachdruck und Liebe. Natürlich gehen wir auch auf Argumente ein. Aber versuchen wenig zu polemisieren. Und irgendwie sprechen wir damit vielen Menschen aus der Seele. Die Zeit ist einfach reif dafür, man merkt richtig was die Menschen für ein Bedürfnis nach Fairness haben. Denn genau darum geht es. Um Gleichheit.

Du kommentierst auf Facebook die Profile bekannter Gegner der Öffnung von Ehe und Familie der großen Parteien. Wie sind die Reaktionen?

Das mache ich nur als Privatperson. “Wir sind Familie” ist eine sehr herzliche und unpolemische Aktion. Vergangenen Sommer habe ich mit ein paar Mitgliedern des Bundestags ein paar Facebook-Nachrichten ausgetauscht. Die waren meistens sehr nett. Von den wirklichen Schreckensgestallten bekommt man da keine Antwort.

Warum sollten sich auch heterosexuelle Menschen für dein Projekt interessieren?

Das Schöne ist, dass wir mittlerweile die größte deutsche Onlinekampagne sind, die sich speziell für die komplette Gleichstellung der Ehe einsetzt. Und es ist das erste Mal, dass es dabei auf eine solch überwältigende Unterstützung der Allgemeinheit stößt. Ich glaube meine Generation unterscheidet nicht mehr. Mein heterosexueller Kumpel denkt, ey, wieso soll der Manu anders sein und nicht die Wahl haben zu heiraten wen er will, geht’s noch? Immer mehr Menschen begreifen dass es sich hier um ein generelles Problem handelt. Dass wir nicht weiter in einer Gesellschaft leben wollen, die ungleich behandelt. Das wir nicht weiter mit einer Politik leben wollen, die entgegen der Verfassung Menschen diskriminiert.

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Wie kann man sich engagieren?

Das geht im Alltag los, man muss wach sein und darf nicht müde werden, Leuten genau zu zuhören und ihnen ihre Ansichten widerspiegeln. Homophobe Äußerungen nicht länger tolerieren. Es geht um Toleranz und Gleichberechtigung und darum, diese zu vertreten und zu Leben und zu allererst bei sich selbst anzufangen. Seine eigenen Ansichten und Verhaltensmuster überdenken. Ich weiß nicht, was es mit dem Wort “Gutmensch” auf sich hat und warum es so negativ konnotiert ist, ich glaube es sagt, man soll sich einfach nicht Scheiße benehmen, und das finde ich eigentlich ziemlich gut. Für “Wir sind Familie” kann man sich stark machen, indem man die Leute auf die Aktion aufmerksam macht. Das geht mit einem “gefällt mir” auf unserer Facebookseite los, und endet dabei dass man uns bei der Suche nach bekannten Pappnasen, wie Bands, Schauspielern, Autoren und so weiter, unterstützt, die sich gerne für die Sache stark machen. Das wäre super. Danke Ada für das Interview, es war mir wie immer ein verrücktes Geburtstagsfest!

Alles Liebe und viel Erfolg!

Published 2 Apr 2013