Die Naziheimat möchte keine Moschee
Foto: Greg Mote
Es ist ja nicht gerade ein großes Geheimnis, dass ich nicht aus Berlin stamme, sondern aus einer recht nazidurchsetzten Gegend im Westerwald: Hachenburg. Ich erinnere da gerne an “glorreiche” Dinge wie:
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"O Du schöner Westerwald, über Deine Hügel pfeift der Wind so kalt.“ Das Westerwaldlied, Nazilied für völkische Propaganda von 1936
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Die damaligen Proteste und das große Engagement der Anwohner gegen die Rückbenennung der Judengasse, die im dritten Reich zwangsumbenannt wurde. Selbstverständlich nach der Vertreibung und Ausrottung der ansässigen Juden, sowie der Zerstörung der inneren Synagoge und deren Umnutzung als deutsche Berufsschule.
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Die Ermordung des 17-jährige Nihad Yusufoglu durch Nazis in Hachenburg.
Ich kann mich noch äußerst genau an den Tag erinnern, an dem meine Eltern und ich in den 90ern auf die Straße gegangen sind, um anlässlich der Ermordung von Nihad gegen rechtes Gedankengut zu demonstrieren. Ich werde niemals vergessen wie ich mich damals, als sehr junges Mädchen, bereits fragte, wer zur Hölle an diesem gottverdammten Tag eigentlich nicht auf der verdammten Demo mitläuft und warum. Diese Frage stelle ich mir bis heute. Und genau jetzt ist die Frage wieder sehr aktuell geworden, denn viele Einwohner der Stadt wehren sich derzeit gegen den geplanten Bau einer Moschee am Stadtrand.
Foto: Thomas Mies
Kurzerhand starteten die “besorgten” Bewohner eine Onlinepetition gegen den geplanten Bau der Moschee mit folgendem Wortlaut:
“Keine Moschee in Hachenburg! Dies ist eine stille Initiative gegen die Erbauung einer Moschee in Hachenburg. Diese Seite hat und teilt kein Rechtes Gedankengut. Sie soll lediglich den Protest gegen ein Gotteshaus darstellen, in der Unterdrückung und Aufrufe zur Gewalt zur Tagesordnung gehören. Wir sind froh das in unserem christlich orientierten Städtchen die “Welt noch in Ordnung” ist. Die westliche Einstellung, das Grundgesetz der BRD, sowie unsere gültigen Gesetzte sind mit dem Islam und deren Kultur nicht vereinbar. In jüngsten Nachrichten sieht man das Gewaltpotential dieser Religion. Hier zeige man nicht nur nach Syrien, Afghanistan und in den Irak, nein die Gewalt ist schon in Hamburg, Celle und Frankfurt angekommen. Soweit wollen wir es hier nicht kommen lassen. Daher: Keine Moschee in Hachenburg!”
Die sind mal richtig gut drauf - die Dörfler, denke ich mir. Schon 250 Unterschriften. Hui. Die meisten selbstverständlich anonym. Viele sogar aus den umliegenden Minikäffern. Richtig engagiert, wenn es um den Erhalt einer Stadt geht, in der die “Welt noch in Ordnung” ist.
Dazu ist zu sagen, dass in Hachenburg ein sehr geringer Anteil von Menschen mit muslimischen Glauben lebt. Es gibt keinesfalls die “große Gefahr” für “demokratische” und “christliche” Werte der Stadt, mit denen die Petition an den hölzernden Türen der Provinzler hausieren geht.
Wer will, liest mal die Kommentare unter der Petition. Diese Dorfdummheit macht mich heute ganz krank. Sprachlich und inhaltlich. Ich falle vom Lachen ins Weinen. Leider reden viele Menschen dort auch so wie sie schreiben. Und traurigerweise glauben viele Menschen auch was sie verschriftlichen. So hat sich eine kleine aber feine Sammlung menschlicher Dummheit in Form von Kommentaren manifestiert. Ich lade Euch also herzlich zu einer Runde Bullshit-Bingo ein und präsentiere Euch hier einige der dümmsten Kommentare - mit Gruß in die Heimat!
So funktioniert Bullshit-Bingo: Quelle: Upgradememblog
Und so sehen die Kommentare unter der Petition aus, die sich der Frage widmen “Warum für die Petition stimmen?”:
“Für die Erhaltung der Kultur!”
“Weil ich dagegen bin.”
Mein persönlicher Lieblingskommentar.
“Da ich dagegen bin.”
Dicht gefolgt von diesem Kommentar. Die Entscheidung fiel mir echt schwer.
“Es gibt in Betzdorf zwei Moscheen und ich denke es gäbe jetzt mal wichtigeres, das vorrang hätte, statt in Hachenburg eine Moschee zu errichten.”
Zum Beispiel Leitkultur voranzubringen und zu erhalten?
“Um unsere kultur zuschützen!”
Vielleicht mal eine Petition gegen Mischehen starten? Ach ja, gab es ja schon.
“Es geht einfach zu weit mittlerweile!”
Fast schon poetisch.
“Ich bin in Hachenburg geboren, und deswegen unterstütze ich das .”
Zwingende Logik. Einwandfreie Kausalität.
“Mir ist es wichtig das keine Moschee in Hachenburg gebaut wird , denn ich habe gehört sie soll außerhalb der Stadt auf dem alten schiesplatz gebaut werden und da kann ich aus meinem Schlafzimmer drauf gucken!!!”
Ich musste ihm beim Schießen immer beim Kein-Sex-Haben zuschauen.
“Gleiches Recht für alle ! Ich darf auch keine Kirche in Istanbul errichten.”
Vermutlich bist du auch zu dumm um eine Kirche baulich zu entwerfen und zu erichten.
“Da der Bau einer Mosche zu weit geht! Deutschland tut bereits genug für das Ausland, wir lassen sie hier leben, geben ihnen Unterkunft, Geld und Arbeit und jeder kann hier Zuflucht finden. Wenn wir deutschen eine Kirche in der Türkei bauen würden, würde diese in Brand gesetzt werden und zerstört werden. Dutschland ist mittlerweile viel zu tollerant geworden und wenn das so weitergeht wird aus Deugschland bald Mischland…!!!”
Fazit: Ich würde gerne die Kultur im Allgemeinen vor dummen Menschen beschützen und bin daher für den Abriss der drei im Ort ansässigen Kirchen und des naheliegenden Kloster Marienstatt, so wie der dort angeschlossenen Schule. Unterzeichnen kann man meine Petition HIER.
Nachtrag aufgrund der unzähligen, persönlich stark beleidigenden Mails und Kommentare, die ich bei Facebook im Laufe des gestrigen Tages bekommen habe. Darunter konkrete Drohmails für mich, meine Familie und unsere Freunde, sowie die vielen Beschimpfungen:
Im Westerwald, der hier nur stellvertretend für beliebige Orte in Deutschland steht, gibt es ein großes Problem mit rechtem Gedankengut. Dem Fall Hachenburg habe ich mich angenommen, weil es der Ort ist, an dem ich biographisch 19 Jahre meines Lebens verbracht habe. Der Artikel ist in meinen Augen mehr als notwendig. Viele Bewohner scheinen sich allerdings durch die offene Nennung der vorhanden Problematik angeriffen zu fühlen, und reagieren mit großem Engangement bezüglich der Beleidigung und Einschüchterung meiner Person.
Ich weiß, dass meine Eltern und viele Menschen im Ort diesen Artikel und mich in seiner Intention unterstützen. Das sehe ich an den Likes und den ebenso unfassbar vielen positiven Zuschriften, die sich ebenfalls eine weltoffene Stadt wünschen. Diese Menschen leben gerne in Hachenburg, fühlen sich aber durch die unsägliche Petition und die fremdenfeindliche Diskussion, sowie durch die Relativierung deren Vorhandenseins nicht gerade wohl. Mir geht es nicht darum zu zeigen, dass alle Menschen speziell in diesem beispielhaften Ort rechts sind. Das behauptet der Text auch schlichtweg nicht. Ich spreche von einer “sehr nazidurchsetzten Gegend”, was sich für mich letztlich auch herrlich anhand der Petition und den Drohungen und Beleidigungen belegen lässt, die gestern im Laufe des Tages bei mir eingegangen sind.
Mein Dank geht vorallem an diejenigen, die dem Bau gegenüber freundlich gestimmt sind und diesen Artikel nicht als Angriff auf Hachenburg sehen, was im übrigen eine wundervolle Stadt ist, die ich immer wieder gerne besuche, sondern den Angriff als das werten, was er ist: Ein Angriff auf die unzähligen Vollidioten, die dort leben und mit ihrer Petition und ihrer Deutschheit das Klima für Einwohner anderer Kulturen verderben.