INTRO Kolumne: Fernseh-Diät
Zugegeben, ich hatte vor dem Verfassen dieser Kolumne weiß Gott längere Zeit nicht mehr aufrichtig interessiert Fernsehen gesehen und ließ es Intro einfach nicht wissen. Zum einen weil ich mich im Herbst so lange im Urlaub aufhielt, dass ich zuletzt kaum mehr wagte die genaue Dauer meiner Reise gegenüber Freunden mit einem festen Arbeitsverhältnis zu erwähnen und zum anderen weil ich aufgrund meines Naturells sowieso eher der verschlagene Typ mit kriminellen Tendenzen bin, der zu Eigenbrödlertum und Heimlichtuerei tendiert.
Ich packte in den letzten Wochen lediglich ab und an ein paar kleinere TV-Häppchen der »Tagesschau« hinten in meinen Kopfraum rein, um im Fall der Fälle, wenn es mit einer anderen Partei zu einem kopflastigen Nahgefecht mit Informationen zum aktuellen Weltgeschehen kommen sollte, wenigstens als immerhin leichtbewaffnet und schon mittelgefährlich zu gelten. Es könnte ja jederzeit passieren, dass man sich aus Versehen auf der Rückbank eines Taxis wiederfindet, bei einem Frisör in der Kleinstadt aufwacht oder vom Amt für Beziehungen und Lebenspartnerschaften eine gesprächige Schwiegermutter zugeteilt bekommt und darauf irgendwie reagieren muss. Nach Möglichkeit natürlich am besten angemessen. In diesen Fällen hat es sich über die Jahre bundesweit als beste Prophylaxe etabliert aktuelle Schlagworte wie »Deutschlandkette« und »Koalitionsbildung« wie selbstverständlich aus dem Konversationshut zaubern zu können. Taxifahrer nicken dann in der Regel versöhnlich und schweigen weiter, während Schwiegermütter selbstlos die Absolution für das letzte Stück Marmorkuchen erteilen. Und da ist besonders viel Schokoladenguß drauf und Schokolade ist eigentlich ganz okay, finden viele. Ein guter Deal also, so alles in allem. Nur »Tagesschau« muss man eben dafür gucken.
Den Handlungsstrang von »Köln 50667« kenne ich inzwischen auch nicht mehr, denn der Fernseher durfte nicht perfomen und prunkte tagelang nur tiefschwarz im Raum rum. Ich erkenne mich einfach nicht wieder. Meine Hand fühlt sich ohne Fernbedienung irgendwie leer und fremd an. Vielleicht bin ich auch einfach nur alt geworden. Von mir aus.
Nach einem minderspektakulären Trinkunfall im September hatte ich ohnehin die Glotze aus Selbstschutzgründen lieber gemieden, denn im Verlauf des besagten Abends fand ich erst mehrere Gin Basil Smash sehr gut und dann recht schnell auch das gesamte Abendprogramm ausnahmslos aller Sendeanstalten ohne jeglichen Kompromiss. Ich fühlte mich körperlich von Schlagersängerinnen erregt und erlebte die blonden Tausendsasserinnen als junge und toughe Frauen, die in der Schlagerbranche erfolgreich Karriere gemacht haben und ein gutes Rolemodel für die Empanzipation darstellen. So dachte ich. Und so dachte bestimmt auch Erika Steinbach.
Am nächsten Morgen wachte ich in meinem feinbibrig bezogenen Doppelbett neben dem langjährigen Lebenspartner auf und lag anstatt in einer Lache Kotze nur mit einer pfleglich behandelten Knirscherschiene in meinem Selbsthass und fühlte mich insgesamt gar nicht so gut. Irgendwas ist ja schließlich immer. Doch dann kam ein neues Format in mein Leben: »Fashion Hero«.
Die Beschreibung klang wie für mich gemacht: Es geht offenbar um Mode und Superhelden. Im Prinzip liest sich das Konzept ähnlich wie »Project Runway«, eine amerikanische Castingshow für aufstrebende Modedesigner, die mich schon ganze Staffeln lang begeisterte. Moderiert wird »Project Runway« von Heidi Klum. Im Gegenzug ist »Fashion Hero« mit Claudia Schiffer besetzt, die sich zu Heidi Klum verhält wie ein Nerzmantel zu einem »I love Schweinenacken«-T-Shirt. Wen soll das jetzt ansprechen? Fashion? Girls lieben das! Hero? Könnte was für Boys sein! Englisch? Klar, die Zielgruppe versteht sowieso nichts. Karl Lagerfeld wird es bestimmt gucken. Ganz bestimmt.
Neben Heidi Klum übernimmt auch Steven Gätjen die Moderation. »Dazu« möchte ich mich allerdings nicht äußern, weil es vemutlich ziemlich viele Hardcore-Fans unter der Intro-Leserschaft gibt. Es gab allerdings mal eine Zeit, da habe ich schreckliche Dinge über Steven Gätjen gesagt. Noch schlimmer war allerdings, dass sie alle stimmten, was nicht meine Schuld war. Selbst Markus Lanz könnte zum Thema Anbiederung und durchschaubare Verkumpelungsversuche noch einiges von Steven Gätjen lernen.
Die Sendung ist leider nur ein weiteres dieser unzähligen ProSieben-Formate, in denen in langer Tradition egal wer oder was gecastet wird - ob Modells, Sänger, Tänzer, oder eben Designer Menschen mit Undercuts vor einem völlig überladenen Hintergund zu Dubstep angespannt gucken. Reicht ja schon für die Einschaltquote.
Wahlweise könnte sich natürlich jemand die Mühe machen Steven Gätjen aus dem Bild zu entfernen und stattdessen zwei tschechische Märchenspielfilme laufen zu lassen, in denen menschenähnliche Ziegen mit Haarausfall einen verwunschenen Apfel mit einem klappernden Bollerwagen durch Böhmen ziehen und nebenbei Ugg-Boots erfinden, die dann die Kandiaten bei »Fashion Hero« in ihren eigenen vier Wänden tragen können.
Mehr Ada und meine monatliche Kolumne natürlich auf INTRO.