INTRO Kolumne: Germanys Next Hochwasser-Contest
»Denn nur eine Stadt kommt auf das Cover der deutschen BILD Zeitung. Und nur eine Stadt gewinnt den exklusiven Besuch von Angela Merkel in Anglerhosen.«
Leistet das deutsche Fernsehen eigentlich gerade heimlich Lobbyarbeit für die Snack-Industrie? Ich meine, der Mai war ja rückblickend in seinem allgemeinen Wetterdesign schon etwas auffällig: Rund um die Uhr hingen graue Fäden vor den Fenstern und Türen der einfachen Leute. Dichte, meterdicke Wasserwände und hundsgroße Regentropfen kennzeichneten den »Sommeranfang« und wurden von den Fernsehzuschauern wahlweise im Wohnzimmer am Fliesentisch, oder durch die geübten Profis (Schüler, Arbeitslose, Hausfrauen und Freiberufler) sogar komplett im Bettsetting zelebriert. Wer eine Festanstellung hatte, wurde im Mai ziemlich nass und konnte allerhöchstens neidzerfressen auf die immer fülligeren Bodys der Daheimgebliebenen schauen, die vor Wonne aufquollen wie Hefeteig im Solarium.
Was für ein großes Los für die unzähligen Hochwassersendungen, dachte ich mir noch und bestaunte die nicht enden wollenden Sonder- und Spezialausstrahlungen auf nahezu jedem Kanal außer HSE24. Endlich konnten die Gebührengelder wieder für handfeste Dinge, wie kinnhohe Gummistiefel und Windmaschinen, ausgegeben werden, da waren wir uns einig. Regen, glücklich und fett, so lautete die Agenda der Unterhaltungskonsumenten im Mai, aber nur so lange sich ausreichend Knabbereien im Haus befanden und man nicht in unmittelbarer Flussnähe wohnte.
Das Finale von Germanys Next Topmodel gegen Ende des Monats interessierte dann allerdings wirklich niemanden mehr. Vollkommen ausgelaugt durch den emotionsreichen 58. Eurovision Song Contest wurde Heidi und ihre »Mädchen« einfach so nebenbei mit weggeguckt, weil die Glotze gerade eh zufällig seit einem Monat lief und uns die »schöne Lovelyn« (16), die von Heidi auch »Baby Beyoncé« genannt wurde, zu diesem Zeitpunkt mit ihren arschlastigen Tanzeinlagen die zum Umschalten notwenigen Säfte entzogen hatte. Im Finale, das bei GNTM traditionell die langweiligste Episode darstellt, gab es dann doch ein unerwartetes Highlight: Eine Kandidatin, die sich aus Angst davor einpinkelte, mit ihren zwei Meter hohen Plastikstelzen durch die Panoramafenster des Tanzstudios zwanzig Meter in den asphaltierten Innenhof zu fallen, wurde durch das Jurymitglied Thomas Hayo geströstet, indem dieser sich beschützend über ihren beschmutzten kleinen Körper bückte und lächelte. Einige ältere Herren und ich waren wieder versöhnt mit dem Format, in dessen Finale Lovelyn als Siegerin hervorging, eine Rasierklingenwerbung machen durfte und dann in drei Jahren ein Topmodel Finale moderieren wird, bevor auch bei ihr die Physik zu wirken beginnt. Baby Beyoncé!
Für den Eurovision Song Contest interessieren sich angeblich immer nur die anderen. Von all den Jahren explodierender Feuerwerkskörper und devoter Frauen mit Hochsteckfrisuren, die auf vulvaförmigen Bühnen performen, sind nur Dana International, die nette Transexuelle von nebenan, Knorkator, Raab, Lordi und die blinde Corinna May Im Gedächtnis hängengeblieben, die einen schrecklichen Blick auf eine mögliche Version einer zehn Jahre älteren Sarah Connor offenlegt. Heute nimmt Khaleesi aus »Game Of Thrones« für alle Länder am Contest teil und gewinnt folglich immer. Spannend ist das nur für Leute, die beim Einparken vor Aufregung zittern. Wer keine Frau ist, verkleidet sich eben als Vampir oder Hipster und gentrifiziert die klassischen Balladen weg. Aber ich mag den Grand Prix ja eigentlich ganz gerne: Erdnussflips essen, unvernünftig viel Fassbrause trinken und am Nachmittag vorschlafen um bis zu den Votings durchhalten zu können. Das alles nur um mit dem guten Gefühl ins Bett gehen zu können, dass Deutschland es mal wieder ordentlich verkackt hat und die Nachbarn nun bestimmt supertraurig sind.
Um 22 Uhr steht dann mein Plan: Ich schreibe meinen nächsten Roman über einen Typ (Wolfgang Grupp), der rum fährt und Männern mit Mascara einen Spiegel vorhält, bis sie sich dafür auf Knien bei ihm entschuldigen. In diesem Moment hörte der Regen plötzlich kurz auf und ich freute mich auf Fernsehabende in kurzer Hose am offenen Fenster. Die große Zeit für Auswandererreportagen sollte kommen.
Mehr Ada und meine monatliche Kolumne natürlich auf INTRO.