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INTRO Kolumne: Markus Lanz und die Ganzkörperhunziker

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Es ist mir schon etwas peinlich, aber ich habe erst kürzlich erfahren, dass Barney Stinson, Christian Lindner und Markus Lanz nicht ein und dieselbe Person sind. Ich meine, wurde Markus Lanz eigentlich jemals in Freizeitkleidung gesehen? War die Nachgeburt des Moderators wirklich ein Paket mit gebügelten Hemden, so wie es die Legende erzählt? Ist der Maßanzug nur ein weiteres raffiniertes Bodypainting oder sogar ein permanentes »Ganzkörperhunziker«, das die einfachenLeute so lieben?

Wen interessiert schon, dass Heidi Klum, unser größter Exportschlager neben Neid und dem Zweiten Weltkrieg, vermutlich aus gutem Grund in L.A. lebt und derzeit etwas zu gut im Fleisch steht, wenn das beste Pferd im Stall Markus Josef Lanz heißt und mit aufgegelten Haaren eine stattliche Widerristhöhe von 1,81m erreicht: Nicht zu groß um uns zu ängstigen und nicht zu klein um nicht mehr ernst genommen zu werden, sondern genau richtig für Einen, der nicht nur im Strom mitschwimmt, sondern dabei auch noch authentisch Spaß empfindet. Der »Blonder-Italiener-Lanz« bildet die perfekte Synthese rassiger Gestik und deutscher Charakterlosigkeit. Das mag man.

Der Strahlemann ist wie junger Gouda (44), den mag auch jeder. Auch ich, und das kommt selten bis nie vor, mochte den Moderator mal ganz gerne. Eben genau so gerne, wie man jemand mögen kann, der einen in Ruhe lässt und Patschehändchen wie ein Vierjähriger hat. Man weiß was einen in einer Stunde Talk erwartet und das sind keine großen Überraschungen. Sarah Kuttner sagte mal: »Im Ernst: Ist jemand, der im Restaurant immer das Gleiche bestellt, ein ignoranter Arsch oder einfach jemand, der weiß, was ihm schmeckt?« Man muss sich also gar nicht schämen den vermutlich sexuell aktivsten Moderator (wenn man die Jungs aus dem Frühstücksfernsehen außen vor lässt) aufrichtig zu mögen.

Diese bedingungslose Sympathie hatte er sich allerdings unlängst in der Talkrunde zur Ausstrahlung des etwas nationalistischen getönten ZDF-Dreiteilers »Unsere Mütter, unsere Väter« verspielt. Lanz konnte beim Thema für meinen Geschmack etwas zu herzlich lachen, denn seine Weste schien nicht nur auftätowiert, sondern auch rein zu sein und er wusste ob seiner starken Tugend »Respekt vor dem Gast«, die er auch in dieser Sendung sechzig Minuten eindringlich unter Beweis stellte, als er Arnulf Bahring, der unentwegt nationalistische Scheiße propagierte, nicht etwa unterbrach oder korrigierte, sondern ihn im gebührenfinanzierten Fernsehen gut gelaunt darüber schwadronieren ließ, dass die jüdische Bevölkerung im Dritten Reich ebenso Täter gewesen wären wie die Deutschen. Ich war fassungslos.

Es war aber nicht alles schlecht unter Lanz. Drei Mal die Woche Peter Altmaier, Uschi Glas und Kurt Beck sind zwar drei Mal Peter Altmaier, Uschi Glas und Kurt Beck zu viel, aber in der direkten Gegenüberstellung zur Bachelor-Talk-Runde von Jauch sorgt Lanz immerhin für Frauenquote. Ja, Frauen dienen ihm zwar nur als auflockerndes Füllmaterial und sind ausschließlich ZDF-Schauspielerinnen aus gutem Hause, mit mittlerer Intelligenz und kokettierendem politischen Desinteresse, die im Ernstfall als Erregungspuffer die Diskussion entschärfen sollen, aber es funktioniert. »Wer macht den bei Ihnen den Abwasch? Ihr Mann?« (Gelächter im Publikum)

Auch junge Menschen sind bei Lanz besser aufgehoben als bei Jauch, der im Vier-Sendungs-Zyklus ein Kind als Gast zum Thema »Sitzenbleiber und Bildungssystem« einlädt und nie den rechten Draht zu seinem »kleinen« Gast findet. Markus hingegen hat die Kids spätestens nach ein paar Sekunden beim Kicken auf eine Zweiloch-Torwand und verkumpeltem Abklatschen um den kleinen Patschefinger gewickelt. Gut so!

Wo sind denn die echten Talkgrößen hin? Ricky? Arabella und Britt, die den Menschen noch aufrichtig liebten und nicht die autistischen Züge eines distanzierten Günther Jauch aufwiesen? In diesem Sinne: Danke, dass es Markus Lanz gibt!

Mehr Ada und meine monatliche Kolumne natürlich auf INTRO.

Published 27 Aug 2013