Partykapitalismus
Hallo, ich bin keine Party. Hey, ich meine, was soll das alles immer? Können wir bitte einfach damit aufhören? Dieser ewige Wettlauf um die besten Wochenendaktivtäten, den interessantesten Freundeskreis und die qualitativ besten Sozialkontakte. Wer bewertet das eigentlich? Unterliegen Menschen, Erlebnisse und Erinnerungen auch der Mode? Erkenntnisgewinn durch Maximierung. Soziales Glück durch das Überbieten anderer. Was schon bei materiellen Dingen eklig daherkommt, wirkt bei Aktivitäten auch nicht wirklich schöner. Das ist der Partykapitalismus.
Früher, da zählte noch die Qualität der sozialen Interaktionen. Die beste Freundin. Ewige Telefonate über Jungs, mit Pipi gefüllte Wasserbomben und unsere blöden Eltern. Wir waren zu zweit, vielleicht auch mal zu dritt, aber nie mehr als das. Und wenn es doch passierte, dann spalteten wir uns auf in Gruppen, die einander bekriegten, hassten und anschrien. Manchmal waren wir uns auch einfach egal. Und wir hatten diese merkwürigen Ponyfrisuren und Armbänder, die steif waren und sich wie von selbst um den Arm wickelten, wenn man sie darauf schlug.
In einer Zeit, in der wir nur ein Mal in der Woche duschten und uns unsere eigenen Weihnachtsgeschenke nicht danach aussuchten, was vielleicht den anderen Kindern gefallen könnte, sondern was wir selber von Herzen liebten. Heute ist es andersrum. Mit allem. Der gesunde Egoismus ist verlorengegangen. Heute muss man alle kennen und man muss mit vielen unterwegs sein. Am besten immer. Und das soll funktionieren? Was bleibt am Ende des Tages? Viele digitale Fotos mit schönen Retroeffekten, ein paar "Wow, das sieht nach einem coolen Abend aus!" Kommentare unter unserem Facebookstatus und mit etwas Glück das Gefühl mit jedem ein paar Worte ausgetauscht zu haben. Das stolze Gefühl wieder ein paar neue Leute kennengelernt zu haben mit denen man demnächst bestimmt mal wieder ein paar Worte wechselt.
Nun ist es aber bei mir leider so, dass sich für mich einzelne Gespräche in der Gesamtbewertung des Abends nicht simpel summieren, sondern jedes Gespräch einzeln als Gespräch bewertet werden muss. Das beste Gespräch macht meinen Abend. Ich möchte nicht vieles und immer und überall. Ich möchte das Eine, das Wahre und das Schöne. Ich möchte Freude für mich erleben. Meine eigene Freude, die individuell und für andere unbegreifbar ist. Die geheime Freude wiederentdecken und sie nicht teilen, das sollten wir.
Und während sich draußen bereits dienstags wieder die ersten fragen, was sie am Wochenende Tolles unternehmen können, möchte ich, dass aus dem "Tollen" einfach ein "Etwas" wird. Warum nicht einfach mal irgendetwas unternehmen und niemandem davon erzählen. Ich rufe einen Freund an.
"Hallo, wollen wir uns morgen treffen?"
"Ja, was wollen wir machen?"
"Nichts."
"Wie jetzt, hast du doch keine Zeit?"
Dieser Hedonismus, der ist bestimmt oft eine Lüge. Hedonismus, der sich nicht auf die eigene Freude, das eigene Glück oder die eigenen Bedürfnisse konzentriert, sondern einer Art Dokumentation oder Reportage gleicht. Das Wochenende ist nicht gut. Das Wochenende wird erst gut, wenn wir darüber berichten. Freude existiert nur in der Retroperspektive und in der Reflexion. Was, wenn diese Freude keine aufrichtige Freude wäre? Wieso filmen wir bei einem Konzert mit statt zuzuhören. Ich möchte das Soziale ablehnen. Endlich kommt der Winter.
Sich selber immer wieder rückversichern wie toll man doch ist. Ein Selbstwertgefühl, das nur auf der Anerkennung durch andere fußt, ist kein Selbstwertgefühl sondern ein Eingeständnis.
Ich nehme mir vor vermehrt Dinge mit mit alleine zu unternehmen, um mich nicht auseinanderzuleben.